Bürgerbeteiligung in Bremerhaven?
„Eigentlich“ gibt es in Bremerhaven die Möglichkeit über ein
Bürgerbegehren und anschließendem Bürgerentscheid direkte Demokratie zu leben, eigentlich.
Aber wie bei vielen Verordnungen die für mehr Mitsprache der Bürger
sorgen sollen wurden auch in den §§ 15b und 15c der Bremerhavener
Stadtverfassung viele Einschränkungen und Ausnahmen eingebaut, die eine
tatsächliche Beteiligung verhindert.
Um zu erkennen, wie wenig bürgerfreundlich die Verfassung der Stadt
Bremerhaven mit dem Thema direkte Demokratie umgeht ist ein Vergleich
mit dem meiner Meinung nach deutlich besseren Regelungen in Bayern
erforderlich.
Bayern als Flächenstaat hat unterschiedliche Gemeindegrößen und
daher bereits bei der Eingangsvoraussetzung, der Mindestbeteiligung
einen je nach Einwohnerzahl gleitenden Prozentsatz. Für eine
Gemeinde/Stadt der Größe Bremerhavens (ca. 113.000) sind daher
5 % der Bürger für ein Bürgerbegehren notwendig, in Bremerhaven sind es
7,5 %. Scheinbar ein kleiner Unterschied, aber wer schon einmal
Unterschriften mit Adressen sammeln durfte erkennt diese hohe Hürde.
Es müssen 50% mehr Unterschriften in Bremerhaven gesammelt werden als in einer vergleichbaren Stadt in Bayern!
Über die Zulässigkeit des Begehrens stimmt die
Stadtverordnetenversammlung ab und kann sich dabei dreimal so lang Zeit
lassen wie in Bayern. Es wird halt gründlich geprüft im Norden, ob der
Bürger ein Begehren äußern darf!
Schwerwiegender ist es allerdings für jeden Bürger, dass er „einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme“ beibringen
soll. Sollte also ein Bürger auf die Idee kommen wollen,
den Hafentunnel durch eine andere Anbindung zu ersetzen, muss er erst
einmal eine Kostenschätzung beibringen. So etwas geschieht, nach den
gesetzlichen Bestimmungen, anhand eines Gutachtens. Solch eine
Bestimmung kann jedes Bürgerbegehren verhindern.
Sollten doch alle diese Klippen umschifft worden sein und das
Bürgerbegehren hatte Erfolg, kommt es zum Bürgerentscheid. Zumindest
sollte das so sein.
Jetzt greifen aber diverse Ausnahmebestimmungen die ich anhand der Regelungen in Bayern einmal gegenüberstelle:
Jetzt greifen aber diverse Ausnahmebestimmungen die ich anhand der Regelungen in Bayern einmal gegenüberstelle:
Bayern
Ausgeschlossen sind Bürgerentscheide zu folgenden Themen:
-zu Angelegenheiten, die kraft Gesetz dem ersten Bürgermeister (Landrat) obliegen
-zu Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung (Kreisverwaltung)
-zu den Rechtsverhältnisse der Gemeinderatsmitglieder (Kreisräte),
der Bürgermeister (des Landrats) und der Gemeindebediensteten
(Kreisbediensteten)
-zur Haushaltssatzung
Bremerhaven
(2) Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über:
1. Angelegenheiten, für die die Stadtverordnetenversammlung keine Zuständigkeit besitzt,
2. folgende Ortsgesetze:
a) die Verfassung für die Stadt Bremerhaven,
b) das Entschädigungsortsgesetz,
c) das Ortsgesetz über die Zahl der Mitglieder des Magistrats in der Stadt Bremerhaven,
d)
das Ortsgesetz zur Ausführung der Landeshaushaltsordnung in der Stadt
Bremerhaven und der Verfassung für die Stadt Bremerhaven,
e) die Satzung des Rates der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger für die Stadt Bremerhaven,
f) die Wahlordnung für den Rat der ausländischen Mitbürger/innen für die Stadt Bremerhaven,
3. Fragen der inneren Organisation der Verwaltung der Stadt,
4. die Rechtsverhältnisse der Stadtverordneten, Magistratsmitglieder und der Bediensteten der Stadt,
5.
die Haushaltssatzung und den Haushaltsplan mit den Anlagen
(einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe) und die
öffentlichen
Abgaben und privatrechtlichen Entgelte,
6.
die Feststellung der Jahresrechnung der Stadt und die Jahresabschlüsse
der Eigenbetriebe sowie die Entlastung des Magistrats,
7.
die Errichtung, Erweiterung, Übernahme und Veräußerung von
wirtschaftlichen Unternehmen sowie die Beteiligung an diesen und die
Umwandlung
der Rechtsform von Eigenbetrieben oder wirtschaftlichen Unternehmen, an
denen die Stadt beteiligt ist,
8. Entscheidungen über Rechtsmittel und Rechtsstreitigkeiten.
Bremerhaven schlechter als Bayern
In Bremerhaven gibt es
also nicht nur deutlich mehr Ausnahmen. Es sind auch sehr bedeutende
Bereiche ausgenommen, die auf dem ersten Blick nicht als solche
erkennbar sind.
So ist als wichtiger
Bereich die Stadtverfassung selbst zu nennen. Da auch der Bereich
Bürgerbegehren in dieser geregelt wird, haben die Bürger Bremerhavens
nicht einmal die Möglichkeit, über ihre eigene Mitbestimmung
zu entscheiden. Offensichtlich hat die Stadtverordnetenversammlung, die
1995 die entsprechende Gesetzgebung in die Wege leitete, ihren eigenen
Bürgern nicht viel zugetraut. Oder hatte sie etwa Angst vor den eigenen
Bürgern?
Das die Stadtverordneten
ihre Aufwandsentschädigung (Entschädigungsortsgesetz) und ihre Anzahl
nicht vom Bürger bestimmt haben möchten, ist nur am Rande erwähnenswert.
Ein besonders
erwähnenswerter Bereich ist unter Punkt 7 zusammengefasst, die der
Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen. Wie viel
Entscheidungskompetenz die Stadt Bremerhaven mittlerweile in solche
„wirtschaftlichen
Unternehmen“ ausgelagert hat, ist an der Öffentlichkeit größtenteils
vorbei gegangen. Oder hätten Sie gewusst, dass zwar die Bauleitplanung
durch das Bauamt erfolgt, diese aber den Bedürfnissen der
Wirtschaftsförderung untergeordnet werden und diese in Form
der BIS als eigenständiges Wirtschaftsunternehmen organisiert ist?
Die Liste der
eigenständigen „Wirtschaftsunternehmen“ ist lang. Von der AfZ über die
BBU bis zur Stäwog sind viele Bereiche ausgegliedert. Der Bürger hat
weder die Möglichkeit, diese Gesellschaften zu kontrollieren,
noch deren „außerparlamentarische Organisation“ Einhalt zu gebieten.
Hier macht die Stadtregierung im wahrsten Worte was sie will.
Demokratie sieht anders aus!
Nun tagt ja seit Februar
2013 der „Ausschuss zur Reform der Stadtverfassung und Verbesserung der
Bürgerbeteiligung“, die §§ 15 folgende wurde bis heute allerdings immer
ausgenommen.
Ich wünsche mir, dass der
Ausschuss den Mut hat, die Bürger dieser Stadt bei politischen
Entscheidungen endlich mitzunehmen und mitbestimmen zu lassen!
Ach ja, natürlich ist der
%-Satz, bei dem ein Bürgerentscheid in Bayern als erfolgreich gewertet
wird um die Hälft niedriger als in Bremerhaven.
Hallo Parteien und Stadtverordnete, behandelt uns als Mitbürger und nicht als Stimmbürger!